Das „Musyck Boexken Danserye“ von Thielman Susato, eine Notensammlung für Tanzmusik, war für Gesellschaftstanz-Events um 1551 gedacht. Auf diesen Performance-Parties wurden Allemanden, Gaillarden oder auch Branlen getanzt, deren musikalische Grundlage das Renaissance-Traktat bildet. In diesen Solo-, Paar- oder auch Gruppentänzen verschmelzen gemeinsames Tanzen und Performance-Situation. Die Teilnehmenden können gleichzeitig Tanzpartner und Zuschauer sein, denen sich die Tänzer mit besonders virtuosem Ausführen und geschicktem musikalischem Variieren der Schritte präsentieren. Musiker, Tänzer und Zuschauer verflechten sich so zu einem Musik-Tanz-Fest.
Danserye versucht dieses Musik-Tanz-Fest zusammen mit acht MusikerInnen und TänzerInnen in den Rahmen einer zeitgenössischen Tanz-Performance zu übertragen. Das Team fragt, welche Formen der Einbeziehung und Beeinflussung zwischen Tänzern, Musikern und Zuschauern entstehen können. Welche Verhältnisse zwischen ihnen regt das Traktat an? Welche „Aufforderungen zum Tanz“? Werden Einflüsse heutiger Feste denkbar? Fortwährend wechseln die Performer ihre Positionierung im Raum. Mal scheinbar einzeln auf sich und die Musik konzentriert, mal in Gruppen oder Duetten, verändert sich so stets auch ihr Bezug zum Zuschauer. Das Traktat ist Ausgangspunkt für zugleich musikalisches und tänzerisches Material. So treten Strukturen und Qualitäten hervor, die beiden Kunstformen innewohnen. Das bildende Künstlerduo Awst & Walther entwickeln dazu einen Installationsraum, der den Zuschauer in diesen einbezieht und ihm unterschiedliche Perspektiven ermöglicht.
Eine Produktion von Sebastian Matthias in Ko-produktion mit NDR das neue werk, Kampnagel Hamburg, Sophiensäle Berlin, Theater Freiburg, Kaserne Basel, Gessnerallee Zürich. Gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds und der Kulturbehörde Hamburg.
Pressestimmen
„Die verschiedenen Ebenen von Komposition, Raum und Choreografie sind geschickt miteinander verflochten, sodass an verschiedenen Stellen Verbindungen erkennbar werden, die dem Stück, auch ohne das durchdachte Fundament studiert zu haben, einen wunderbaren Einblick in die Kanäle der eigenen Wahrnehmung geben.“
Ann-Christin Görtz: Spielfeld der Impulse. Sebastian Matthias mit ‚Danserye’ in den Sophiensälen, www.Tanzpresse.de, 30.01.2013
„Einen dezentrierten Erlebnisraum mit wechselnden Intensitätszentren erzeugt «Danserye». Das Publikum ist in steter Bewegung, bildet konzentrische Kreise um tänzerische Aktionen. Jeder Einzelne sieht seine eigene Aufführung, erlebt Klang und Bewegung hautnah oder aus der Distanz. […] In der Stille zum Schluss lässt das Publikum erst verhalten, dann zunehmend selbstbewusst die Schellen ertönen. Spontan formt und synchronisiert sich ein Rhythmus – der Klang der Teilhabe.“
Elena Philipp: Danserye, www.Kultiversum.com, 04.02.2013
„Der deutsche Choreograph Sebastian Matthias, als grosse Nachwuchshoffnung gefeiert, ist auch Tanzforscher. Das fliesst in seine jüngste Arbeit Danserye – zu Gast während des Festivals ‚Keine Disziplin’ – ein, glücklicherweise ganz unangestrengt […] Als Rundumerlebnis ist es bewegend, nah und packend und gleichzeitig wie ein Hauch aus ferner Zeit.“
Maya Künzler: Danserye gehüpft und gesprungen, Tages Anzeiger Zürich, 09.02.2013