WALLEN

Das Verb wallen beschreibt die Übertragung von Bewegungen wogenden Wassers oder Grases auf emotionale Regungen wie aufwallende Verärgerung, bebendes Schluchzen, furchtsames Zucken, krampfhaftes Gelächter.
In Sebastian Matthias‘ neuer Produktion lässt sich wallen sowohl als Beben im fein abgestimmten Kontrahieren der Muskeln sowie als wellenförmiges, tänzerisches Muster begreifen. Die Künstler analysieren Bewegungen, in denen sich Emotionen manifestieren, lösen diese Verbindungen auf und überführen sie in abstrakte choreografische Bausteine. Was bleibt von der kulturellen Bedeutung der Emotion übrig? Wie entscheidend ist die Verbindung zwischen ihren Manifestationen und ihrem phänomenalen Gehalt? Wie verändert sich deren Erlebnis in dieser fortschreitenden Abstraktion? Je weiter die kritische Analyse fortgetrieben wird, desto unsicherer werden die Grenzen zwischen den zunächst so eindeutigen Konzepten.
Die Fähigkeit des Körpers, andere Körper zu affektieren und affektiert zu sein, leitet durch das Stück. Jene ineinander übergehenden Intensitäten bilden die Grundlage für die Choreografie, die die Tänzer im kollektiven Prozess konstruieren. So werden emotionale Regungen nicht nur thematisch verhandelt und für das Definieren choreografischer Bausteine verwendet, sondern geben Ausschlag für das tänzerische Handeln. Auch der Sound als eigenständiger weitere Körper erschließt sich diesen sich ständig verändernden Raum. In der reliefartigen Landschaft aus Drehstühlen haben Zuschauer die Möglichkeit ihre Perspektive nach ihrem Befinden zu modifizieren. Wallen macht in einer immer neu auszuhandelnden Dramaturgie aus abstrahierten emotionalen Manifestationen ein Spektrum unbekannter emotionaler Vermischungen erfahrbar.

Eine Produktion von Sebastian Matthias und Kampnagel Hamburg, den Sophiensaelen Berlin und der Dampfzentrale Bern. Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – kulturelle Angelegenheiten und der Rudolf Augstein Stiftung. Mit freundlicher Unterstützung der Uferstudios Berlin.

 

Pressestimmen:

„Für Wallen hebt Sebastian Matthias die Grenze zwischen Bühne und Publikum auf. Die Zuschauer sind in Tanja Rühls Rauminstallation aus Podien mit Drehsitzen im Licht der gelben und weißen Neonröhren Teil der Performance. Der Choreograf bietet weder Bedeutung noch Geschichten, er untersucht die Erfahrung von Emotionen im Kontext des Körpers und seiner muskulären Bewegung. […] Tanz ist hier unverstellt, ohne Theatralik oder demonstrative Virtuosität zu erfahren: in einer ungeschminkten Klarheit und unverstellten Schönheit, die den Betrachter zunehmend in den Bann zieht.“

Klaus Witzeling: Die Sehnsucht des Nacktmenschen nach dem verlorenen Fell, Hamburger Abendblatt, 05. 05.2012

 

Konzept/ Choreographie

Sebastian Matthias mit Jan Burkhardt, Lisanne Goodhue, Deborah Hofstetter und Isaac Spencer

Tanz/ Choreographie

Jan Burkhardt, Lisanne Goodhue, Deborah Hofstetter und Isaac Spencer

Sound

Jassem Hindi

Kostüme

Nina Witkiewicz

Licht und Bühne

Tanja Rühl

Technische Leitung

Arne Schmitt

Dramaturgie

Katarina Kleinschmidt, Marcus Dross

Regieassistenz

Jannikhe Möller

Produktionsleitung

ehrliche arbeit – freies Kulturbüro

Uraufführung

03.05.2012 Kampnagel – Hamburg