DEZETT

Die choreographische Recherche für Dezett basiert auf John Cages’ Komposition “Three Dances“ für präpariertes Klavier und Streichquartett in vier Teilen. Sebastian Matthias’ spezifisches Interesse liegt in den Bewegungen und in der Körperlichkeit, die die Musiker entwickeln während sie spielen. Die Tänzer haben die Bewegungscharakteristika abstrahiert, zum Beispiel die Bogenführung, das Pizzicato der Streicher oder den Tastenanschlag der Pianisten, und in choreographische Strukturen übersetzt.

Ähnlich wie in Matthias’ früheren Arbeiten, die aus der Entdeckung einer Analogie in der Tonqualität der Musik und der Bewegung der Performer hervorgingen, beinhaltet jeder Klang eine spezifische Körperlichkeit im Moment des Erklingens. Die Bewegungsfrequenz bildet die Grundlage für die Beziehung zwischen Musik und Tanz in Dezett: Die Bewegungselemente der Tänzer wurden auf Grundlage einer genauen Bewegungsbeobachtung und Analyse der Musiker entwickelt, in Resonanz mit der Materialität, Form, Mechanik und Funktion der Bewegung. Es wurden weder Rhythmus noch kompositorische Strukturen der Musik für den Tanz benutzt. Auch lässt sich Sebastian Matthias’ Methode nicht auf die zufällige Beziehung von Musik und Choreographie zurückführen, die von Cage und Cunningham (einem Pionier des postmodernen Tanzes) entwickelt wurde.

In Dezett begegnen sich beide Kunstformen auf Augenhöhe, Tanz und Musik bilden nicht nur in der Wahrnehmung des Zuschauers ein Ganzes. Eine Bindung zwischen Musik und Tanz ist bereits in der gemeinsamen Bewegungsproduktion von Musikern und Tänzern entstanden, in der die Beziehung von beiden Kunstformen aus einer anderen Perspektive sichtbar wird.

Diego Agulló‘s Videos heben diese Kooperation auf eine andere Ebene: was auf der Bühne kinästhetisch spürbar wird, kann durch die mehrfache Projektion der Performer entkörpert und verstärkt werden. Die Identität der Musiker und Tänzer löst sich in der Isolation der reinen Bewegung auf, die im Video wie auch auf der Bühne sichtbar wird. Jenseits ihrer eigentlichen Rolle verschmelzen die Pianisten, die Streicher vom Ensemble Resonanz sowie die Tänzer in ein Dezett aus Performern, deren komplexer Bewegungsprozess in spezifischen Intensitäten wahrnehmbar wird.

Eine Auftragsproduktion von Kampnagel in Kooperation mit NDR Das neue werk und Ensemble Resonanz.

Choreographie & Konzept

Sebastian Matthias

Tanz/ Choreographie

Lisanne Goodhue, Phillip Bergmann, Martin Hansen, Anne Rudelbach

Pianisten

Christoph Hahn, Bernhard Fograscher

Musiker Ensemble Resonanz

Barbara Bultmann, Benjamin Spillner (Violine), Tim-Erik Winzer (Viola), Saerom Park Poucher (Cello)

Assistenz

Sergi Ortego

Musik

John Cage ('Three Dances' [1945] for two prepared pianos and 'String Quartet in Four Parts')

Video

Diego Agulló

Licht

Henning Eggers

Bühne

Sebastian Matthias/Verena Sponagel

Dramaturgie

Melanie Zimmermann

Produktionsleitung

Stefan Scheuermann

Uraufführung

22.09.2011 Kampnagel Hamburg